Ein Waldlerhaus in Hungersacker bei Wörth a. d. Donau // SoSe 2016

Ein Waldlerhaus in Hungersacker bei Wörth a. d. Donau

Tutku Topal / Masterarbeit WS 2015/2016 / Prof. Dr. Dietmar Kurapkat

Neben den landschaftlichen Gegebenheiten prägen vor allem Bauten unsere Umwelt. Dabei denkt man in erster Linie an dominante Denkmäler wie Kirchen, Klöster, Schlösser und Burgen. Auf dem Land jedoch, sind es vor allem auch die typischen Bauernhäuser, die eine Kulturlandschaft unverkennbar charakterisieren und sie maßgebend bestimmen.

Baubeschreibung

Der ehemalige Wohnstallbau in Hungersacker bei Wörth a. d. Donau setzt sich aus einem massiven Sockelgeschoss und einem Obergeschoss in Blockbauweise zusammen. Er zählt zu der für die Oberpfalz typischen Hauslandschaft „Waldlerhaus“. Trotz einiger Umbaumaßnahmen hat es seinen bäuerlichen Charakter bewahrt und prägt noch immer das Dorfbild.

Das als Einfirsthaus errichtete Gebäude diente einst nicht nur als Behausung für Vieh und Mensch, sondern bot auf dem Schüttboden über dem Stall auch reichlich Platz für einen Getreidespeicher.

An den Traufseiten verdeutlicht sich die konstruktive Zweiteilung des Baus. Während auf der Südseite der Blockbau auf den massiven Erdgeschossmauern ruht, ist die gesamte nördliche Hälfte des Hauses gemauert. Dieser ist im Gegensatz zum südlichen Bau ein- und nicht zweigeschossig.

Der Kniestockbereich des hohen Dachraumes wurde im Norden mit einer Holzverschalung versehen um das Obergeschoss optisch an den Blockbau anzupassen.

Bei dem Grundrisstyp des Waldlerhauses handelt es sich um eine sogenannte Mittelfletzanlage. Der Eingangsbereich wird durch einen Flur, auch Fletz genannt, gebildet, der mittig zwischen dem Stall- und Wohnbereich des Hauses sitzt.

Zustand

Bereits an der Südfassade wird deutlich, wie sich das Haus im Laufe der Jahre in westliche Richtung gesetzt hat. Die Blockbalken im Süden verlaufen leicht schräg zur horizontalen Mauerkante des Erdgeschosses. Der unterste Balken verschwindet bereits nach der Verkämmung mit der mittig liegenden Querwand im Mauerwerkssockel und scheint dort zu enden. Im Inneren des Hauses zeigt sich diese Verformung in der Decke des Obergeschosses. Diese fällt von Osten nach Westen um ca. 36 cm ab. Damit dennoch gewährleistet ist, dass sich beide Fußpfetten auf gleicher Höhe befinden, wurden im Osten Blockbalken im Bereich des Kniestockes entfernt und die Pfette somit tiefer positioniert. 

Bauphasen und Datierung

Gestützt auf eine dendrochronologische Untersuchung der Blockbalken ergab sich der Sommer 1717 als Erbauungsjahr des Blockbaus. Dieser ist somit der älteste Teil des Hauses. Die zweite Bauphase, die im Wesentlichen die Ausmauerung des Blockbauerdgeschosses umfasst, lässt sich durch die dendrochronologische Altersbestimmung der Deckenbalken über dem Erdgeschoss bestimmen. Hier haben zwei Kernbohrungen das Fälldatum Winter 1923/24 ergeben. Aus der Datierung der ersten beiden Phasen geht also hervor, dass die Ausmauerung des Erdgeschosses erst nachträglich stattgefunden hat. So erklärt sich auch, wieso diese Deckenbalkenlage nicht von der Setzung des Hauses betroffen ist. In einer dritten Bauphase im Jahr 1954 wurde dann der angrenzende Stallbereich des Hauses durch einen Neubau ersetzt. Befunde an den Giebelwänden, sowie bildliche Quellen verdeutlichen, dass das Dach des Neubaus wesentlich steiler war, als das heutige. 1986 wurde schließlich der Dachstuhl über beiden Gebäudeteilen erneuert, die Setzung begradigt und die verschiedenen Neigungen aneinander angepasst.  

Rekonstruktion

Hölzerne Erdgeschosswände waren in der Hauslandschaft der Waldlerhäuser infolge der Bodenfeuchtigkeit besonders der Fäulnis ausgesetzt, auch, wenn sie auf einem gemauerten Sockel standen. In vielen Fällen wurde das ganze Erdgeschoss erst später in Mauerwerk ausgeführt. (1)

Auch im Falle des untersuchten Baus hat wohl die Verfaulung unterliegender Balken eines hölzernen Erdgeschosses, zur Absackung des gesamten Bauwerks geführt, sodass die Ausmauerung erst nachträglich folgte, um diesen Vorgang zu stoppen.

Anhand von archivalischen Unterlagen aus dem Jahr 1913 lies sich der wohl bauzeitliche Grundriss rekonstruieren. Zudem konnten infolge der bauhistorischen Untersuchungen Fragen zur historischen Dachkonstruktion, der Nutzung des Hauses, sowie dessen bauzeitlichem Erscheinungsbild beantwortet werden.

Fazit  

Auch wenn nur wenig Zierrat am Waldlerhaus vorhanden ist, so ist es vor allem das handwerkliche Gepräge des Blockbaus, das seinen schöpferischen Wert bestimmt. In zierenden Formen wie dem Schwalbenschwanz an den verzinkten Ecken, sowie den schrägliegenden Balken des Giebels, zeigt sich die Formenvielfalt der Zimmermannskunst. Doch der Bestand, wie er sich heute darstellt, ist nur ein Bruchteil der Werdensfülle des Waldlerhauses in Hungersacker. Wertschätzung gebührt auch seiner dreihundertjährigen Geschichte und dem immerwährenden Bestreben nach seinem Erhalt. Es war die Armut, und nicht die Verbundenheit zu den Bauten, die die Menschen daran hinderte, ein neues Haus zu errichten. Doch gerade daraus ergaben sich  baukonstruktiv eindrucksvoll gelöste Reparaturarbeiten.

Das Waldlerhaus ist heute in einem sehr guten Zustand und leistet somit einen Beitrag zum Erhalt einer vom Aussterben bedrohten Hauslandschaft der Oberpfalz. Es dient als Zeitzeugnis der Zimmermannskunst und vermittelt durch seine Baugeschichte die gesellschaftlichen Veränderungen im ländlichen Raum. Um ihren Erhalt zu sichern sollten daher bäuerliche Bauten für die heutigen Anforderungen nutzbar gemacht werden. Infolge der Baudokumentation wurde deshalb ein denkmalpflegerischer Bindungsplan erarbeitet, um bei zukünftigen Sanierungsarbeiten einen denkmalgerechten Umgang mit dem Gebäude zu sichern.

 

(1) W. Straßer, Das Waldlerhaus. Ein Haustyp der Oberpfalz (Regensburg 1974), S. 19.

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